Der Nachrichtendienst des Bundes soll mächtige neue Kompetenzen erhalten.
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Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Das dachten wohl die Nationalräte, die am Freitag Ja zum Nachrichtendienstgesetz sagten, sich im Wahlkampf aber als Überwachungsgegner ausgeben.
Sie wollen die Privatsphäre schützen. Oder eben auch nicht. Unter den 145 Nationalräten, die das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) gutheissen und dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) mehr Kompetenzen zuschanzen, sind auch jene Politiker vertreten, die auf der Wahlhilfe-Plattform Smartvote angeben, gegen mehr «präventive Überwachung des Post-, Telefon- und E-Mail-Verkehrs» zu sein.
Was ist passiert? Der Nationalrat hiess das neue Nachrichtendienstgesetz am vergangenen Freitag klipp und klar gut. Mit 145 zu 41 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Zuvor hatte schon der Ständerat mit 35 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen grünes Licht für mehr staatliche Überwachung gegeben.
Dass Politiker die Befugnisse des Geheimdienstes ausweiten wollen, ist ihr gutes Recht. Dass sie allerdings zuerst auf Smartvoteangeben, gegen mehr staatliche Überwachung zu sein, dann aber trotzdem für mehr Überwachung stimmen oder sich enthalten, ist das andere.
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bild: twitter/piratenpartei
Nationalräte, die ihren Wählern auf Smartvote vorgeben, ganz oder eher gegen präventive Überwachung zu sein und am Freitag für das neue Nachrichtendienstgesetz gestimmt haben, finden sich laut Piratenpartei bei SP, GLP, FDP und SVP: Darunter bekannte Namen wie Yvette Estermann und Ulrich Giezendanner (beide SVP), Ruedi Noser (FDP), Alex Tschäppät (SP) oder Tiana Moser von den Grünliberalen.
Felix Müri und Yvette Estermann geben sich auf Smartvote als Überwachungsgegner aus. Im Parlament haben sie das Nachrichtendienstgesetz (NDG) angenommen.
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Das Abstimmungsverhalten dürfte nicht zuletzt durch Druck aus den eigenen Reihen beeinflusst worden sein. Nur die Grünen waren geschlossen gegen das neue Überwachungsgesetz.
Einige Politiker dürften ihren Meinungsumschwung damit rechtfertigen, dass das Parlament vor der Schlussabstimmung eine zusätzliche Aufsichtsinstanz beschlossen hat, die den Geheimdienst besser kontrollieren soll. Ob ein Nachrichtendienst je kontrollierbar sein wird, steht auf einem anderen Blatt, wie die Erfahrungen in den USA, Grossbritannien oder Deutschland zeigen.
Die Befürworter sind der Ansicht, der Nachrichtendienst brauche mehr Kompetenzen und zeitgemässe Mittel, um etwa verschlüsselte Gespräche von Kriminellen und Terroristen überwachen zu können.
Die SVP hat das neue Überwachungsgesetz fast geschlossen angenommen: Lediglich ein Vertreter im Nationalrat stimmte Nein. Vor sechs Jahren war ein beinahe identisches Gesetz noch am Widerstand von SVP, Grünen und SP gescheitert. Während die Grünen geschlossen dagegen stimmten, gab es in der SP-Fraktion auch eine beträchtliche Zahl von Ja-Stimmen. Von den anwesenden SP-Vertretern stimmten 23 Nein, 15 Ja und 6 enthielten sich der Stimme.
Die Gegner warnen vor Lauschangriff und Totalüberwachung. Die Grundrechte dürften nicht zugunsten vermeintlicher Sicherheit eingeschränkt werden, finden sie. Ein Referendum unterstützen wollen neben den Grünen und SP-Vertretern die Piratenpartei und Organisationen wie die Digitale Gesellschaft.
Vertreter der Grünen, der SP und der Piraten wollen das neue Nachrichtendienstgesetz mit dem Referendum bekämpfen. Sie müssen innert dreier Monate 50’000 Unterschriften sammeln, um eine Volksabstimmung zu erzwingen.
Mit Material der Agentur SDA.